Prof. Dr. Karl-Dieter Heller © Stefan-Thomas Kröger

Rückblick AE-Kongress: Endoprothetik im Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Innovation

Der 22. AE-Kongress fand in diesem Jahr digital vom 2. bis 4. Dezember 2020 statt. Mit mehr als 600 Teilnehmern war er trotz der coronabedingten kurzfristigen Verlegung von einem analogen in ein webbasiertes Format sehr gut besucht. Durchgeführt wurde die Veranstaltung von der gemeinsamen Akademie für Orthopädie und Unfallchirurgie (AOUC).

Die wissenschaftlichen Leiter der Veranstaltung, AE-Präsident Prof. Dr. Karl-Dieter Heller (Braunschweig), AE-Vizepräsident PD Dr. Stephan Kirschner (Karlsruhe) und Prof. Dr. Dr. Reinhard Hoffmann (Frankfurt) danken den über 50 Referenten und Moderatoren für ihren enormen engagierten Einsatz. Ein besonderer Dank gilt auch dem Team der AOUC um Dr. Jörg Ansorg und dem Team der Deutschen Gesellschaft für Endoprothetik (AE) um Andrea Trautwein und Bettina Protzer.

Die Kunst, in der Kongressorganisation und -durchführung, bestand pandemiebedingt darin, aus einem physischen Kongress mit geplanten 600 Teilnehmern, in kürzester Zeit einen Onlinekongress zu konzipieren. Das Kongressmotto „Endoprothetik im Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Innovation” sollte durchaus beibehalten werden, denn die Coronakrise zeigt auch, wie schnell aus einem sehr frequentierten elektiven Fach, gravierende Probleme resultieren können. Die ökonomischen Themen, die als einzelner Veranstaltungsblock geplant waren, wurden deshalb auf sämtliche Kongresstage aufgeteilt. Die wiederkehrende Präsenz unterstrich auch die Dringlichkeit des Themas, auf das dadurch aufmerksam gemacht werden sollte.

Themenkomplexe bündeln breites Spektrum

Jeder Kongresstag zeichnete sich durch einen Schwerpunkt aus. Der Themenkomplex „Primäres Knie“ widmete sich neben der Ausrichtung der Knieprothese den Assistenzsystemen, insbesondere der Robotik. Es wurde weiterhin noch einmal ein State of the Art bezüglich der Individualendoprothetik dargestellt. Die Unterschiede der verschiedenen Alignmentformen und die Notwendigkeit derselben, wurde einerseits bezüglich der normalen, händischen Operationen, aber andererseits auch im Zusammenhang mit der Robotik ausreichend diskutiert. Es sind verschiedene Systeme auf dem Markt, die sich deutlich voneinander unterscheiden, besonders hinsichtlich ihrer Ansätze. Allen gleich ist die additive Navigation, deren Umsetzung mit verschiedenen Techniken stattfindet. Die Individualprothese besitzt weiterhin einen Stellenwert, hat aber den Nachteil, dass sie immer seltener honoriert und die Begründung derselben aufwändiger wird. Die Valgusgonarthrose wurde bezüglich der Versorgung mittels Schlittenprothese thematisiert. Es stellte sich klar heraus, dass eine gewisse Fallzahl und Erfahrung von wesentlicher Bedeutung sind. Sport mit Knieendoprothese hat sich in den vergangenen Jahren deutlich gewandelt. Die Patienten sind sportlich aktiver und können und sollen sich sportlich betätigen, was sich zwingend nicht negativ auf die Prothese auswirken muss, wobei natürlich auf die Wahl der Sportart geachtet werden sollte.

In der Sitzung Knierevision wurden das schmerzhafte Knie, das instabile Knie und intraoperative sowie periprothetische Frakturen adressiert. Es wurde betont, dass im Rahmen der Wechselendoprothese die metaphysäre Fixation zunehmend an Bedeutung gewinnt. Das schmerzhafte Knie ist ein uns alle beschäftigendes Problem. Ungeachtet aller Fortschritte haben wir immer noch eine zu hohe Rate an schmerzhaften Kniegelenken nach endoprothetischer Versorgung. Definitiv gilt: keine Revision ohne zu adressierende Schmerzursache, auch extraartikuläre Schmerzursachen müssen bedacht werden. Die Instabilität ist einer der Hauptrevisionsgründe in der Knieendoprothetik. Hier muss die operative Qualität besser werden, um dies zu adressieren. Bei den intraoperativen sowie periprothetischen Frakturen wurden die Techniken ausführlich erläutert.

Sitzung III beschäftigte sich mit aktuellen Aspekten der Knieendoprothetik aus ökonomischer Sicht. Es wurde erneut auf das Spannungsfeld zwischen Endoprothetik und Ökonomie hingewiesen, insbesondere aufgrund der Tatsache, dass Innovationen, wie zum Beispiel die Robotik, die Navigation oder aber teilweise auch die Individualendoprothetik im DRG-System nicht adäquat oder mit zeitlicher Latenz Berücksichtigung finden. Es war ein klarer Konsens der Referenten und im Rahmen der Diskussion, dass Mindestmengen in der Revision überfällig und notwendig sind. Seitens der Industrie wurde nochmals auf die auf uns zukommende Problematik mit der Medical Device Regulation hingewiesen. Weiterhin wurden der Stellenwert des Fast-Tracks im Zusammenhang mit der Ökonomie aufgearbeitet und die aktuellen Aspekte der DRG in Bezug auf computergestützte Operationen und Robotik erläutert und anschließend in einem Round-Table adressiert und diskutiert.

Die Sitzung IV widmete sich der „primären Hüftendoprothetik“. Hier war die Planung, die immer differenzierter wird, ein wesentlicher Punkt, und eben Offset und Beinlänge in erster Linie adressiert. Die Möglichkeiten und Limits des Kurschaftes wurden ausführlich diskutiert, ebenso die Rolle der modernen Standardschäfte. Auch der zementierte Hüftschaft wurde in seiner Bedeutung noch einmal aufgearbeitet, zumal anhand der Register und anderer Publikationen klar belegt werden kann, dass die Komplikationsrate der zementfreien Endoprothetik bei über 75-jährigen höher ist als bei der zementierten Versorgung. Auch die primäre tripolare Pfanne wurde adressiert und deren Bedeutung noch einmal herausgearbeitet, insbesondere für demente und luxationsgefährdete Patienten.

Die Sitzung V befasste sich mit der Hüftrevision. Glutealinsuffizienz – einerseits wurden die Gründe, andererseits auch die therapeutischen Verfahren erläutert. Es handelt sich hier um eine häufige Komplikation, die leider nur schlecht operativ behandelt werden kann. Dann wurden Techniken im Zusammenhang mit der Revision festsitzender Pfannen und festsitzender Schäfte erläutert. Die Indikation zum zementierten Schaftwechsel wurde ebenso aufgearbeitet wie der Sinn und Zweck eines modularen und nichtmodularen Revisionsschaftes, auch aus Sicht des Ingenieurs.

Im letzten Block des zweiten Tages wurden die häufigsten Komplikationen im Zusammenhang mit der Schulterprothetik und die wichtigsten Gründe für deren Revisionen aufgearbeitet. Sehr offen wurden häufige und vermeidbare Fehler einerseits aufgezeigt und andererseits in einer sehr kompetenten Art und Weise diskutiert.

Der dritte Kongresstag begann mit der Sitzung VII Endoprothetik und Alter. Hier wurde klar konstatiert, dass es eine Altersgrenze für die Endoprothetik nicht gibt, sondern dass gerade im Alter die Endoprothetik für den Patienten gravierende Vorteile im Sinne des Erhalts der Gehfähigkeit aufweist, OP-Fähigkeit vorausgesetzt. Es wurde klar erläutert, dass auch im Alter Rapid-Recovery-Modelle greifen. Das Wechselspiel zwischen Wirbelsäulen- und Hüftpathologie wurde kompetent dargestellt. Der Stellenwert der Dual Mobility und Constrained Liners bei rezidivierenden Luxationen wurde anschließend erörtert. Die Notwendigkeit der primären Versorgung einer komplexen Fraktur am Knie, gerade beim älteren Patienten, wurde herausgearbeitet und dann im Rahmen einer interaktiven Falldiskussion erörtert.

Die Sitzung VIII widmete sich der Protheseninfektion. Hier wurden zahlreiche Sachverhalte noch einmal aufgegriffen und es fand eine rege Diskussion zu den Themen der Therapieziele, der Infektionsdiagnostik und der Wahl der adäquaten Antibiotika statt. Unter dem Thema „Hit hard and early”, wurde die Bedeutung der frühen und konsequenten Antibiose betont. Die periprothetische Infektion im Endoprothesenregister wurde umfassend erläutert. Im Anschluss fand eine sehr rege Diskussion zu diesem Thema statt.

Der letzte Themenblock schloss mit dem Thema „Proximale Femurfraktur und Endoprothese“ ab. Hier wurde herausgearbeitet, dass gerade bei der proximalen Femurfraktur und der pertrochantären Fraktur, die Endoprothetik sowohl bei frischer Fraktur als auch im Revisionsfalle     nach gescheiterter Osteosynthese hochkomplex ist. Die Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) wurden intensiv diskutiert, ebenso die Ergebnisse der Auswertung von Routinedaten des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). Abschließend wurde seitens der Präsidenten ein kurzes Resümee über den Kongress gezogen und die Teilnehmer verabschiedet.

Im Vorfeld des Kongresses fand eine Online-Pressekonferenz statt, deren Link auf der AE-Webseite zu finden ist: www.ae-germany.com/die-ae/presse/pressekonferenz

2021: AE feiert 25. Jubiläum

Der nächste Jahreskongress wird aus Anlass des 25-jährigen Bestehens der AE vom 2. bis 3. Juli 2021 in Regensburg, der Gründungsstadt der Fachgesellschaft, durchgeführt. Hierzu möchten wir Sie schon jetzt sehr herzlich einladen.

Prof. Dr. Karl-Dieter Heller
Braunschweig
AE-Präsident

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